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 Diplom_»Aufwallung« 

Aufwallung

Rede zur Diplompräsentation

Innerhalb meiner künstlerischen Auseinandersetzung bewege ich mich in Spannungsverhältnissen:
Schwarz und weiß, klein und groß, Mensch und Kosmos.

Die für mich jedoch wohl spannendste Polarität ist die Beziehung von Verstand und Gefühl.
Ein Tanz von denken und fühlen. Im Spiel von Festhalten und Loslassen. Trennung und Verbindung.

Zu Beginn eines künstlerischen Prozesses werde ich immer wieder zur Beobachterin des tragischen Versuches meines Verstandes, Wesenhaftigkeit zu greifen und Vorgänge zu Rationalisieren. Es gelingt ihm selten bis gar nicht. Flüchtig wie die Welt der Gerüche, entzieht sich die Kunst einer allgemeingültigen Definition, Form oder Aufgabe. Eine absolute Objektivität ist nicht möglich.
Für Adorno drückte sich das Wesen der Kunst vor allem dadurch aus, dass sie die Logik unseres herkömmlichen Verstehens durchkreuzt.

Und so stellte ich für mich fest: in der Kunst geht nicht die Theorie voraus und zieht die Praxis nach sich, sondern es verhält sich gänzlich umgekehrt. Vor allem durch das Gefühl, besonders am Anfang des Weges, ist meinem persönlichen Empfinden und Erleben nach, ein wahrhaftig künstlerischer Prozess zu erreichen.

Es ist ein Vorgang welcher sich aus dem unbewussten Inneren heraus bildet, mit einem Ursprung jenseits des Denkens.

In der Übertragung auf einen allgemeineren Kontext kam ich zu folgender Überlegung:
Die Schaffung von Transparenz, ein Sammeln von Wissen und die rationale Zerlegung der Wirklichkeit in seine einzelnen Teile, führt nicht zwangsweise dazu dass ich mich vertrauter mit der Welt fühle und die Unwägbarkeiten des Lebens besser meistern kann. Entsteht hier nicht viel eher der Verlust von Vertrauen, Intuition, Phantasie und dem Zauber dem ein Geheimnis innewohnende kann?

So begann ich meine eigenen verstandesbasierten Prägungen wahrzunehmen, um mich aus ihnen heraus zu lösen und mich bewusst meiner Intuition zu öffnen.

Im Vertrauen darauf, dass die richtige Dinge, im richtigen Moment passieren. Bilder und Ideen auf die Bühne treten wenn die Zeit dafür reif ist. Es war ein Einlassen auf das Ungewisse, nicht planbare.
Dies bedeutete vor allem, Hingabe, Fühlen und Loslassen.

Hierbei stellte ich fest, dass es Felder gibt, in denen ich in mir eine Resonanz wahrnehme. Augenblicke in denen ich mit der Welt in Beziehung trete. Eine Art Kommunikation und Berührtheit.
Dabei übt die unergründliche Erhabenheit einer transzendenten Naturerfahrung, in der ich mehr erlebe als ich begreifen kann, eine besondere Faszination aus.

Allein der Blick in die unendlichen Weite des Kosmos, während ich auf einer winzigen blauen Erde durch das expandierende Universum rase, lässt mich staunend zurück.
Diese Betrachtung regt eine tiefe Sehnsucht an und hilft bei der Öffnung des eigenen inneren Raumes.

Meine grafischen Arbeiten versuchen diese konkreten Resonanz-Momente zu reproduzieren.

Die praktische Umsetzung wiederum setzt hierbei eine genaue Planung voraus. Das Empfundene wird sorgfältig organisiert.
Eine Konzentration auf das Detail und Reduktion auf die Essenz.
Die Codierung der sichtbaren Welt in Punkte, Linien und Strukturen. Separierte Segmente die sich langsam und ruhig zu Flächen und Objekten verbinden.

Dabei verschmelzen Polaritäten miteinander und ergeben dabei ein Ganzes.

 

Deborah Ziller, 2020

 

Text: News

AUFWALLUNG –
Signale aus dem Unbestimmten

Eine Sturmbö bauscht eine Plane, die etwas verhüllt. Dieses Etwas könnte alles mögliche sein – ein Strohballen, eine Leiche, eine Zeitmaschine. Aber vielleicht ist es gar keine Abdeckplane, sondern ein achtlos ins Gras geworfenes Papiertaschentuch. Die Größenproportionen bleiben im Unklaren. – Das Blatt trägt den Titel „Wind“.

Deborah Zillers Arbeiten spielen mit dem Geheimnisvollen, Mehrdeutigen. Immer hat man den Eindruck, dass es um etwas Bedeutungsschweres geht, das nicht näher benannt wird. Ihre zum größten Teil in strengem Schwarzweiß gehaltenen Linolschnitte sind bis ins Detail naturalistisch durchgestaltet. Sie gewinnen ihren Zauber aus einer seltsamen Stimmung des Befremdens.

Die Arbeit „Am Tag danach“ zeigt eine Schneise umgestürzter Bäume. Es könnte ein Sturmschaden sein, wie man sie in den letzten Jahren in vielen Wäldern zu beklagen hat. Und dennoch denkt man bei dem rätselhaften Nachglimmen des Himmels eher an eine UFO-Landung – oder an einen Meteoriteneinschlag. Automatisch glaubt man in den Abbildungen von Steinen, die ebenfalls Teil der Werkgruppe sind, kosmische Brocken zu erkennen – und in dem grafisch reizvollen Erdhaufen mit dem Titel „Wall“ das Überbleibsel einer Katastrophe.

Mit einem Format von 202 x 143 cm bildet der Linolschnitt „Schwarzes Loch“ unweigerlich das Zentrum des Ensembles, aber gleichzeitig auch einen Kontrapunkt dazu. Im Handabrieb gedruckt und sparsamer bearbeitet, was beides der enormen Größe geschuldet ist, wirkt diese Arbeit weicher. Und sie wird konkreter in der Benennung des Rätselhaften. Sie zeigt die Rückenansicht einer Frau in Hosen. Neben ihr steht ein schlanker Hund. Mensch und Tier schauen gleichermaßen staunend wie auch ruhig in den Himmel, in dem ein kreisrundes, an den Rändern schaumig leuchtendes Gebilde rotiert und den Umraum dezent verformt. Es ist der Animation eines schwarzen Lochs nachempfunden. Die Analogie zu Caspar David Friedrichs „Zwei Männer, den Mond betrachtend“ drängt sich auf – nur dass der Kosmos heute gewissermaßen noch größer, noch unfassbarer geworden als vor 200 Jahren. Die Wissenschaftler blicken inzwischen bis an die Grenzen von Raum und Zeit und generieren Erkenntnisse, die weit mehr Fragen aufwerfen als beantworten. Das sind Dimension, die uns „Normal“ Menschen erschaudern lassen und quasi auf die gleiche Stufe drücken wie den Windhund mit seinem kleinen Köpfchen.

Zu viele Erklärungen zerstören die schimmernde Aura des Unbestimmten. Manchmal will man es gar nicht so genau wissen, und diese Haltung ist angesichts der allgegenwärtigen Informationsflut durchaus legitim (wohlwissend, dass echtes Wissen und bloße Information nicht das selbe sind). Es geht in diesen Arbeiten um Befindlichkeiten, die sich nur schwer in Worte fassen lassen, wenn nicht sogar um die Sprach- oder Wortlosigkeit selbst – um das Staunen, den heiligen Schrecken, eine Empfindung, die für Entstehung von Bildwerken für viele Künstler*innen unerlässlich ist – nicht nur für Deborah Ziller.

© Franca Bartholomäi, 2020

Die Arbeiten der Werkreihe „Aufwallung“ sind eine intuitive Auseinandersetzung mit der eigenen subjektiven Wirklichkeit. Wohin führt der Pfad der Resonanz wenn dabei die logisch geprägten Konzeptionen der Realität im Außen zu brechen beginnen? Im bewussten Fühlen und in der Hingabe an den Moment, eröffnet sich ein stiller Raum jenseits der entzauberten materiellen Theorien.
Die Bewegung innerhalb der Spannungsverhältnisse wie Klein und Groß, Schwarz und Weiß, Mensch und Kosmos, spiegelt diese Raumöffnung. Gebettet auf der unergründlichen Erhabenheit transzendenter Naturerfahrungen, verbinden sich separierte Punkte und Linien zu Flächen und Objekten, und ergeben dabei ein Ganzes.



 

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